Zu Beginn der neunten Klasse kam mir die Idee einen Schüleraustausch in ein englisch sprachiges Land zu machen. Eine Zeit lang weg von zuhause, neue Leute, Plätze und Kulturen kennenlernen und ganz neue Lebenserfahrung sammeln. Das erschien mir als eine super wichtige Sache um erwachsen zu werden und mein Leben selbst zu bestimmen.
Zunächst wollte ich den Klassiker USA wählen und eine amerikanische high School besuchen wie in den Filmen. Aber mein Vater hatte strickte Abneigungen gegen das Land der 1000 Möglichkeiten und wollte mich unter keinen Umständen dort hinlassen. Inzwischen verstehe ich seine Gründe.
Also recherchierte ich nach anderen Ländern mit Englisch als Amtssprache. Großbritannien war mir zu nah an zuhause und Indien traute ich mir nicht zu, also fasste ich Australien ins Auge. Nachdem ich Bücher über Australien gelesen hatte und mir einige Videos angeschaut hatte war ich begeistert. Ich hatte meine Wahl getroffen und meine Eltern waren einverstanden. Natürlich hätte ich es mir gerne einfach gemacht eine Organisation angeschrieben und alles nach Hause geschickt bekommen aber da irre Preise für das Rund-um-sorglos-Paket aufgerufen werden und in einer 6-köpfigen Familie nicht alles drin ist, musste ich mich um einen individualen Austausch bemühen.
Da ich auf eine Waldorfschule gehe und dort eine starke Zugehörigkeit herrscht war das ein großer Vorteil für mich. Ich suchte mir im Internet eine Liste mit allen Waldorfschulen in Australien und auch mit jenen in Neuseeland. Mit meinen 14 Jahren setzte ich mich hin und verfasste mit größter Mühe ein Bewerbungsschreiben was halbwegs offiziell klingen sollte. Mein Vater überarbeitete noch die Rechtschreibung und einige sprachliche Mängel und dann schickte ich die Anfrage mit einer kurzen Beschreibung von mir per Post auf die andere Seite der Welt.
Lange wartete ich auf Antwort erhielt jedoch, wenn überhaupt nur Absagen. Meine Hoffnung fing an zu sinken und meine Schwärmerei zu wachsen. Schließlich kam eine Lehrerin meiner Schule auf mich zu. Sie sagte mir, dass ihre Schwägerin in Australien Deutschlehrerin an einer Waldorfschule sei und dort noch ein Austausch gesucht werde. Ich war super glücklich und gegen die geringe Begeisterung meiner Freunde super euphorisch. Alles fügte sich nun doch noch und mein Traum, für den ich so gearbeitet hatte, würde in Erfüllung gehen. Ich besprach alles mit meiner Familie und die wichtigen Sachen wurden bald geregelt, denn mir blieben gerade einmal 2 Monate, bis mein Austauschmädchen kommen sollte.
Mit dem Mädchen, was für 3 Monate bei uns wohnte, lief alles so weit gut. Mein Bruder war großzügig in das Ankleidezimmer gezogen, meine Gastschwester lebte sich ganz gut ein und fuhr auch bald allein ins nahe Köln. In den Sommerferien 2012, zwischen der 9. und 10. Klasse kam dann auch noch ihre Familie zum Kennenlernen und für einen Europatrip aus Übersee.
Etwa eine Woche nach ihnen stieg ich dann in den Flieger nach Bejing um von dort nach Sydney zu fliegen. Der große Tag war da und ich war wahnsinnig aufgeregt. In Sydney wurde ich abgeholt und nach einer typischen Hafenrundfahrt ging es ab nach Canberra, wo ich die nächsten 6 Monate wohnen sollte.
Die Zeit dort war alles andere als frei und entspannt. Mit der Familie gab es viele Auseinandersetzungen zuerst, weil ich mich mit einem, der Familie kaum bekannten, Kumpel treffen wollte und zuletzt wegen jedem Appell meinerseits an die Eigenständigkeit. In der Schule lief es gut in der Zeit, ich war froh dort ein wenig freier zu sein. Zur gleichen Zeit war ein Mädchen aus Stuttgart in der Parallelklasse zum Austausch und sie rettete mir zu einem großen Stück die Zeit dort. Da meine Gastschwester eine eher ruhige Einzelgängerin war, war es schwer für mich mit Leuten in Kontakt zu kommen. Carla, aus Stuttgart, welches ich zuvor für eine versnobte Großstadt- Bonzen gehalten hatte, auch jetzt noch einer meiner allerbesten Freunde auf der Welt. Meine Familie in Canberra ging sogar so weit die Deutschlehrerin zu beauftragen unsere Freundschaft zu verbieten. (Vielen Dank nochmal an dieser Stelle an meine teure Carla <3)
Bevor ich dann letztendlich bei meiner Gastfamilie rausgeschmissen wurde, hatte ich bereits ein Flug nach Melbourne gekauft und meinen Heimflug umgebucht. An meinem 16. Geburtstag hat mich mein Vater noch in aller Frühe zum Busbahnhof gebracht. Zum Abschluss meines Aufenthaltes in down under verbrachte ich eine Woche bei einem Freund in Melbourne, den ich in einem Feriencamp mit meiner Gastschwester kennengelernt hatte. Dort verbrachte ich schöne Tage am Strand von St. Kilda, im lebhaften Stadtviertel davor und auf Ihrem Land in der Nähe. Diese eine Woche war, zumindest in meiner idealisierten Erinnerung, schöner als die 4 Monate in Canberra.
Das Wichtigste, was ich in der Zeit gelernt habe, ist Selbstständigkeit und mich gegen Vorschriften auflehnen aber vor allen Dingen das man, dass was man möchte auch machen kann und sollte.