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Ich möchte betonen, dass ich die Absicht habe, hier meine persönliche Auffassung zu diesen Themen zu teilen. Während insgesamt sieben Monaten dort habe ich mich bemüht einen möglichst breiten Eindruck vom Land zu erhalten und ich habe verschiedene Seiten erfahren können. Angefangen mit dem herzlichen Empfang von Ahmed und seiner Familie in Agadir, bin ich von dort aus durch Surforte wie Imsouane und Taghazout gezogen, habe mir weniger beliebte Städte wie Meknés und ElJadida angeschaut, habe Zeit Touristenhochburgen wie Essaouira und Chefchaouen verbracht und bin schließlich mit meinem einheimischen, männlichen Partner durch das ganze Land gereist. Nur in den kleinen untouristischen Dörfer habe ich nicht wirklich Zeit verbracht, weil ich mich nicht wohl gefühlt habe, dort allein hin zu reisen und sich keine Gelegenheit bot.

Während ich es in der Regel genieße, alleine durch unbekannte Orte und Kulturen zu ziehen, ist mir dies in Marokko unglaublich schwer gefallen und ich habe bald die Annehmlichkeiten der Gruppe meinen eigenen Ambitionen vorgezogen, besonders in Essaouira wo ich die intensivsten Erfahrungen mit Rassismus und Sexismus machen musste. Ich kann nur spekulieren, woher diese Verhaltensweisen kommen, und möchte dies hier nicht tun, da es meiner Meinung nach keinen großen Unterschied macht. Die Ursachen zu verstehen, kann möglicherweise helfen Entschuldigungen für die agierenden Personen zu finden, doch ich meine das jede*r selbst für seine Taten verantwortlich ist und sie sind für mich nicht mit Geschichte oder Kultur zu entschuldigen, sondern offenbaren ein Fehlen von Bewusstsein und Reflexion der eigenen Taten, Muster und Motivationen. Ich möchte betonen, dass dies meine ganz persönlichen Erfahrungen sind, jede*r hat eine andere Perspektive auf die selbe Situation, geistiger Zustand, das eigene Glaubenssystem und die Fähigkeit mit schwierigen Situationen umzugehen haben einen großen Einfluss darauf, wie etwas aufgenommen wird.

Ich, persönlich, habe viel Rassismus und Sexismus von Einheimischen in alltäglichen Situationen erlebt. Obwohl es das einzige Land außerhalb von Europa ist, dass ich mehr als ein Mal bereist habe, bin ich nirgends sonst aufgrund meines Geschlechts und meiner Herkunft so abscheulich bewertet und behandelt worden. Ich hatte die Freude viele tolle Menschen in diesem Land kennen zu lernen und möchte keinesfalls werten, dass alle Marokkaner*innen sich so verhalten, doch die Zahl der Interaktionen, in denen ich auf mein Geschlecht oder Herkunft reduziert worden bin, war überwältigend.

Im Hinblick auf Rassismus, hatte ich das Gefühl, dass Menschen mich als eine wandelnde Geldmaschine gesehen haben. Während ich durch die Straßen von Meknés lief, drehten sich gewöhnliche Menschen plötzlich zu mir um, streckten ihre Hand aus und verlangten Geld von mir. Die ersten paar Mal wollte ich dies nicht bewerten, doch schnell wurde mir das Muster bewusst, dass die einzig weiße Person und niemand sonst angehalten wurde zu unterstützen, was mir aufstieß wie – Hey du bis Europäerin, du musst Gelt haben, dass du ohne Erklärung verteilen solltest-. Ebenso wurde von allen möglichen Geschäftsleuten zu viel verlangt. Selbst am Busbahnhof, wo ich am Tag zuvor mit meinem marokkanischen Kumpel nach dem Preis gefragt hatte, wurden am nächsten Tag 150 DHM anstatt 100 verlangt, nach einiger Verhandlung sagte der Verkäufer mit wohlwollendem Lächeln „Ok 120“ und ließ sich auf keine weiteren Gespräche ein. Meine Verhandlungskünste sind ohnehin unterirdisch und ich lehne es ab über Geld zu verhandeln, wenn beide Parteien so tun, als ob sie total im recht wären aber eine unverschämt ist, daher haben diese Situationen viel Unbehagen in mir ausgelöst, besonders, als sich meine Beobachtung festigte, dass die Leute meinen -weißer Mensch bedeutet viel Geld.

In den Augen von vielen Männern hatte ich offensichtlich nicht das Recht auf meinen persönlichen Raum oder eine Meinung was sich nach einer Mischung aus Rassismus und Sexismus anfühlte da ich diesen Druck ausschließlich von männlichen Marokkanern gegen westliche Frauen erlebte. Ich kann beim besten willen nicht verstehen, wie sie es vor sich selbst erklären, dass es ok sei, mich beispielsweise beim Strandspaziergang mit gesenktem Blick und Kopfhörern auf voller Lautstärke (um die Hinterherrufe nicht Wahrzunehmen) auf diese Weise anzusprechen. Aggressiv in meinen Raum einzudringen, sich mir in den Weg zu stellen, meine Ignoranz mit lautem Schreien und Handgreiflichkeit zu durchbrechen. Auf meine respektvolle Erklärung „Ich möchte gerade mit mir selbst sein und einfach laufen“ wurde oft, in einem Ton der transportierte, dass ich dankbar seien sollte, erwidert „Ich möchte nur mein English üben“ oder „Ich will dir die Stadt zeigen“. Das deutliche Kommunizieren meiner Bedürfnisse wurde völlig ignoriert oder führte dazu, dass ich Schlampe genannt oder in Darija beschimpft wurde, weil ich nicht bereit war ihnen die gewünschte Aufmerksamkeit zu geben. Klar gibt es überall solch ignoranten Männer, aber besonders in Essaouira konnte ich keine 5 Minuten allein gehen oder sitzen, ohne belästigt zu werden. 

Poster auf der Straße in Edinburgh, Schottland

Außerdem schien mein weißes Erscheinungsbild, möglicherweise auch mein rotes Haar, und die Tatsache, dass ich eine junge Frau bin, sexuelle Triebenergie in Männern aller Altersklassen zu wecken. Wie Frauen in unserer Zeit behandelt werden, ist ein Herzensthema von mir und ich lege großes Augenmerk auf die Energie mit welcher Menschen interagieren, daher stieß es mir oft auf, wie ich als Objekt behandelt wurde. Dass ich es so viel gesehen habe, hängt sicherlich mit meiner Aufmerksamkeit auf das Thema zusammen, doch wenn ich weniger genau hinschauen würde, wäre das Problem dennoch da, es wäre nur vielleicht für mich einfacher. Ich sehe wie lustvolle Männer mich und andere hellhäutige junge Frauen aus den bunten Menschenmassen auf der Straße herauspicken und ich weiß das dies nicht zufällig, sondern klar auf wegen des Geschlechts und Aussehens ist, was sie scheinbar zu aggressivem, respektlosem Kontakt inspirierte. 

In manchen Orten wird der Sexismus-Rassismus ganz offen kommuniziert, hier möchte ich die Geschichte von einer kleinen Bar namens The Hole, in der Medina von Essaouira erzählen. Sie ist als authentische, spaßige Bar bekannt und als ich mit einer Gruppe Reisende dort landete, war ich von der lockeren Trinkkultur in den Steingemäuern beeindruckt, Sport läuft auf den Bildschirmen es wir geraucht, mit jedem Getränk ein Snack serviert. Mir viel damals auf, dass die marokkanische Kundschaft ausschließlich männlich war, aber dachte mir nicht zu viel dabei, da Frauen im öffentlichen Freizeitleben generell unterrepräsentiert sind. Dann fand ich heraus, dass einheimische Frauen gezielt gesagt bekommen, dass sie hier nicht willkommen sind und nicht eintreten dürfen. Grund hierfür ist, dass die Männer in ruhe trinken wollen und dies kein Ort für Frauen sei, die Bar ist eine alt Seemansschenke, wo Frauen nur für sexuelle Lusterfüllung der Männer anwesend waren. Dass ausländische Frauen erlaubt sind, gibt auch ein klares Statement, als was wir gesehen werden, offen gesagt, als freizügige Sexualobjekte.

Während meiner ersten Reise nach Marokko bin ich mit anderen Reisenden sowie einheimischen Männern und Freuen in den Austausch über dieses Thema gegangen und es wurde ganz klar, dass junge weiße Frauen Oper dieser respektlosen, sexuell motivierten Belästigungen sind. Viele rieten mir sogar halt mit einem Mann raus zu gehen. Später, als ich mit meinem Partner unterwegs war, erfuhr ich die gleiche Bewertung von einem anderen Standpunkt aus. An der Seite eines marokkanischen Mannes war ich nicht mehr Ziel von diesen Belästigungen aber auch nicht mehr meine eigene Person, sondern seine Begleitung. Viele Menschen machten keinerlei Anstalten mit mir in Kontakt zu kommen. Dass ich die Sprache nicht spreche, machte es natürlich einfacher mit ihm zu sprechen, aber ich wurde keines Blickes mehr gewürdigt und ich fühlte mich aus den meisten Interaktionen komplett ausgeschlossen. Manchmal würde ich für unsere Sachen zahlen, das Wechselgelt wurde ihm überreicht und meine Anwesenheit scheinbar nicht wahrgenommen. Obendrein wurde er nun Ziel von unangenehmen Hinterherrufen, wo er für das haben einer europäischen Frau beneidet wurde.

Ich möchte noch anmerken, dass all dies mir kein Gefühl von Unsicherheit gegeben hat, ich habe eine starke Ausstrahlung und abgesehen von einem speziellen Essaouira Surfer Jungen beschränkten sich die Leute auf verbale und energetische Attacken. Ich habe noch viele weitere und manche unangenehmere Geschichten dieser Art zu erzählen, aber schreibe dies nicht um mich über einzelne Situationen zu beschweren. Sie sollen nur das Grundproblem Aufzeigen, dass weibliche und weiße Menschen nach einem ganz besonderen Urteil behandelt werden, und dies macht mich sauer und traurig vor allem aber nimmt es mir die Lust dieses Land weiter zu bereisen. Somit bekommen viele Orte und Menschen nicht die Wertschätzung von offenen Reisenden wie mir, die sie verdienen, weil wir dazu gezwungen sind eine dicke Schutzmauer aufzubauen oder gar nicht erst kommen. Auf meiner Mission über alles offen und ehrlich zu reden war es wichtig für mich diesen Text zu schreiben, um in meinem kleinen Kreis Aufmerksamkeit zu schaffen und Schwestern mit ähnlichen Erfahrungen zu unterstützen, indem sie wissen, dass es nicht an ihnen persönlich liegt, sondern dass dies ein tiefes systematisches Problem ist. Es war aber auch einer der schwersten Texte, die ich bisher geschrieben habe, da ich meine Worte mit viel Vorsicht wählen musste, um meinerseits nicht zu verurteilen. Meiner Meinung nach nehmen wir durch offenes reden über diese Sachen einen Teil ihrer Macht und schaffen Aufmerksamkeit, was ein unentbehrlicher Schritt in Richtung Veränderung und Toleranz ist.